Rückblick GEFTA Jahrestagung 1999

Polymorphiescreening an pharmazeutischen Wirkstoffen

S. Neuenfeld, I. Lochmann, H. Kniel
Merck KGaA, Zentrale Verfahrensentwicklung, 64271 Darmstadt


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Vor dem Scale-up der Synthese und der Herstellung größerer Mengen von Wirkstoffkandidaten für vorklinische und klinische Studien ist es dringend erforderlich, ein mögliches polymorphes bzw. pseudopolymorphes Verhalten zu untersuchen. Bei einem Scale-up vom Labor zum Technikumsmaßstab können sich auf Grund sich stark unterscheidender Prozeßbedingungen unterschiedliche Kristallformen bilden. Die unterschiedlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften von polymorphen/pseudopolymorphen Kristallformen führen zu unterschiedlichen pharmazeutischen Eigenschaften wie Bioverfügbarkeit oder Formulierungsverhalten. In einer frühen Phase der Entwicklung eines neuen Wirkstoffes sollte ein Polymorphiescreening durchgeführt werden, d.h. gezielt nach möglichen Polymorphen bzw. Pseudopolymorphen gesucht werden (1). Das Ziel ist dabei die Entdeckung von verschiedenen Kristallformen unter prozeßrelevanten Bedingungen. Dabei sei auch auf entsprechende Richtlinien der FDA verwiesen (solid state forms do not have to be created by techniques or conditions that are irrelevant to the synthetic process (2).

Der zentrale Schritt eines Polymorphiescreenings ist die Herstellung der Wirkstoffendstufe unter verschiedenen Prozeßbedingungen. Es ist bekannt, daß durch Umkristallisation oder durch Lösungsmittelverdampfung aus Wirkstofflösungen in verschiedenen Lösungsmitteln verschiedene polymorphe Formen oder Solvate erhalten werden können. Die Betrachtung des letzten Prozeßschrittes der Wirkstoffherstellung kann aber wesentlich aufschlußreicher sein. Bei diesem letzten Prozeßschritt handelt es sich oft um eine Herstellung der festen Phase durch Fällung des Wirkstoffes durch Salzbildung aus einer Lösung der Neutralverbindung oder Neutralisation aus einer Salzlösung. Diese Fällungsreaktionen sollten unter variablen Prozeßbedingungen durchgeführt werden, wobei der Einfluß von Temperaturen, Temperaturprofilen, Lösungsmitteln, Lösungsmittelgemischen, Konzentrationen, Stöchiometrien, pH-Werten usw. betrachtet werden kann. Als Ergebnis kann dann der Einfluß der Prozeßparameter auf die Bildung verschiedener Kristallformen beschrieben werden, wobei auch die Reproduzierbarkeit des Verfahrens, die Scale-up-Fähigkeit und die Möglichkeit zur Optimierung beachtet werden muß. Als Beispiel sei die Fällung eines Benzimidazolderivates genannt, wo durch eine einfache Variation der Fällungstemperatur und der Trocknungsbedingungen sechs verschiedene Kristallformen erhalten wurden.

Zum Screeningverfahren gehört auch die analytische Charakterisierung der erhaltenen Kristalllformen. Zum einen erlauben Methoden wie Röntgenbeugung, IR-Spektroskopie oder Raman-Spektroskopie eine analytische Unterscheidung von Kristallformen, zum anderen ermöglichen die Untersuchung der thermischen Eigenschaften (Schmelzverhalten, Festphasenübergänge, Umwandlungsverhalten und -kinetik, Desolvatation), die Betrachtung des Solvatationsverhaltens (Hygroskopizität, Festkörper-Gas-Reaktionen, Festkörper-Flüssigkeits-Reaktionen) und die Bestimmung des Auflöseverhaltens (Löslichkeitsprofile) eine Beschreibung der Stabilitätsbeziehungen, die Detektion der thermodynamisch stabilen Formen oder der aus Sicht der Verfahrensentwicklung und pharmazeutischen Entwicklung praktikabelsten Form.

(1)   Neuenfeld, S.: Anwenderseminar Thermische Analyse - Würzburger Tage 1998, H. Utschick (Hrsg.), ecomed-Verlag, 1999, 92-115
(2)   Quality Control Reports "The Gold Sheet", Vol. 30 (1996) 3

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