H. J. Flammersheim
FSU Jena, Inst. f. Phys.
Chemie, Lessingstr. 10, 07743 Jena
Zuarbeit von Mitgliedern
des Arbeitskreises
Für den Ringversuch wurde ein System ausgewählt (Bisphenol-A-diglycidylether, N,N'-Dibenzyl-4,4'-diamino-diphenylmethan), dessen Mechanismus der Polyaddition relativ einfach und bekannt ist (zwei Parallelreaktionen, eine davon autokatalytisch, mit vorgelagertem Gleichgewicht). Die feste Mischung der Komponenten ist bei Raumtemperatur unbegrenzt haltbar. Um Unsicherheiten bei der Präparation auszuschalten, wurde sie allen Versuchsteilnehmern übergeben. Weiter wurde für die temperaturprogrammierten und isothermen Messungen ein grobes Versuchsprogramm verabredet. Im übrigen sollte jeder Teilnehmer seine eigenen Erfahrungen hinsichtlich optimaler Versuchsdurchführung einbringen. Die Herausforderung derartiger Experimente ergibt sich daraus, daß temperaturprogrammierte Experimente ein Intervall von ca. 200 K benötigen, isotherme Messungen dauern bis zu 6 h. In diesem Zeitraum sollten die Geräteparameter absolut konstant sein. In die Messungen wurden Geräte aller gängigen Gerätehersteller einbezogen. Ausgangspunkt aller Überlegungen war, daß eine Einzelmessung fast wertlos ist, daß für die Modellsicherheit wenigstens drei temperaturprogrammierte bzw. isotherme Messungen mit möglichst stark unterschiedlichen Heizraten bzw. Reaktionstemperaturen benötigt werden. Der Zeitaufwand für Messungen und Auswertung beträgt 2 bis 3 Tage, ein sicher akzeptabler und besonders wichtiger Faktor für ein Industrielabor.
Für den Kurvenfit mittels eines kommerziellen Auswerteprogramms wurde das einfachste formalkinetische Modell (weitgehender Verzicht auf mechanistische Vorstellungen) gewählt, das die experimentellen Daten optimal beschreibt (zwei Parallelreaktionen, die erste von 2. Ordnung, die zweite als autokatalytische Reaktion mit frei wählbarer Ordnung). Jeder Datensatz wird durch sechs Parameter beschrieben. Die Auswertung der Meßkurven von 11 Teilnehmern aus Laboratorien in Industrie, Hochschulen und bei Geräteherstellern ermöglicht repräsentative Aussagen. Wegen der ausgeprägten Korrelation zwischen den Arrhenius'schen Aktivierungsparametern findet man selbst bei dem benutzten einfachen Modell bereits eine Vielzahl von Lösungen, die einen Datensatz fast gleich gut beschreiben. Die aus zahlreichen Ursachen resultierenden, in jedem Fall aber unterschiedlich fehlerbehafteten Messungen der jeweiligen Laboratorien ergaben dann auch Lösungen mit Streuungen der Modellparameter, die auf den ersten Blick bedenklich erscheinen!
Außerordentlich erfreulich und für den Anwender letztlich allein relevant ist aber, daß Vorhersagen mit den unterschiedlichen Datensätzen sehr gut übereinstimmende Ergebnisse liefern. Beispielsweise wurde unter Verwendung der Modellparameter für die temperaturprogrammierten Messungen jeweils die isotherme Reaktion für eine mittlere Reaktionstemperatur berechnet. Mit einer Ausnahme weichen die Umsätze über den gesamten Umsatzbereich um weniger als 3%! voneinander ab und geben entsprechende Experimente richtig wieder.
Sorgfalt bei Probenpräparation,
Messung und Aufbereitung der Rohdaten vorausgesetzt, steht heute mit der
kinetischen Analyse von DSC-Messungen für den Praktiker ein effektives
Werkzeug zur Verfügung, das zuverlässige Voraussagen für
beliebig komplizierte Reaktionsführung erlaubt.
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